Immer mehr Menschen in unserem Stadtteil sind völlig auf sich allein gestellt, am härtesten trifft es arme Senioren/innen und Arbeitnehmer/innen. Für Senioren im Stadtteil wird bereits viel getan, wie zum Beispiel die aufsuchende Arbeit und Veranstaltungen gezielt für diese Zielgruppe. Besonders hart trifft es Alleinstehende im Niedriglohnsektor, denn trotz das die Probleme bekannt sind ist diese Gruppe schwer zu erreichen weil sie häufig mehrere Jobs machen um von staatlichen Transferleistungen unabhängig zu sein.
Wer allein und arm trotz Vollzeitarbeit ist dem fallen meist schon Kleinigkeiten wie die Renovierung der Wohnung schwer. Denn wer arm ist hat nicht nur weniger Geld, nein es hapert auch oft an Zeit weil die Anforderungen in den Niedriglohnjobs ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität erfordern. Das zeigte mir Michael 42 der trotz das er gelernter Schlosser ist als Hilfsarbeiter bei einer Zeitarbeitsfirma arbeitet.
"Schon das tapezieren meiner Wohnung stellt mich vor massive Probleme, denn mir fehlt einfach die Zeit und Platz um konsequent meine Wohnung aus zu räumen um mit dem renovieren voran zu kommen. Aber auch Geld um mir Hilfe zu holen fehlt mir", so Michael. Aber das alleine ist es nicht, denn vor allen fehlen ihm nach seinen Aussagen die sozialen Kontakte, denn bis auf während der Arbeit hat er kaum Kontakt zu seinen Nachbarn. Auch Freunde hat er seit Jahren schon keine mehr, denn immer wieder musste er wegen seiner Arbeit Treffen absagen so sank nach seiner Aussage die Zahl der Freundschaften auf Null. "Nach den harten Arbeitstagen habe ich keine große Lust mehr großartig irgendwo hin zu gehen, so lerne ich niemanden kennen", so Michael. Früher ist er öfter in die Kneipe gegangen um mit anderen in Kontakt zu kommen, aber durch das Kneipensterben im Stadtteil, seinem im Vergleich zur allgemeine Preissteigerung sinkenden Lohn und den wenig ansprechenden Kunden in den Kneipen verzichtet er lieber auf den wöchentlichen Besuch. Es gibt kaum Angebote für Arbeitnehmer/innen im Stadtteil um neue Leute kennen zu lernen, hier lebt jeder für sich alleine für sich und das ist kein guter Zustand. Denn Einsamkeit gepaart mit Armut macht nicht nur Depressiv sondern ist auch Auslöser für viele andere Krankheiten, doch dieses Problem ist nicht so einfach zu lösen. Vielleicht bräuchten wir einen Nachbarschaftshilfe Verein, dieser könnte zumindest Probleme wie Renovierungen und Termine wie Ablesungen lösen aber auch Dinge für den sozialen Zusammenhalt in der Nachbarschaft sorgen. Dabei könnten auch soziale Netzwerke wie https://nebenan.de/ helfen die Nachbarschaften zu stärken und den Kontakt her zu stellen. Doch selbst das funktioniert in unserem Stadtteil bisher nur sehr begrenzt.
Michaels Geschichte ist nur eine von geschätzt Hunderten von Menschen im Stadtteil Osterholz die mich persönlich sehr bewegt haben. Mittlerweile habe ich mit ca. 60 Alleinstehenden über ihre Situation im Stadtteil gesprochen und ich finde es erschreckend wie viele ähnliche Schicksale es gibt. Mittlerweile treffe ich mich alle zwei Wochen mit Michael und konnte ihm bei der Renovierung seiner Wohnung ein wenig helfen. Mein Fazit: Wir sollten mehr mit unseren Nachbarn reden, manchmal hilft schon ein nettes Wort oder eine Einladung zum Kaffee trinken um den Zusammenhalt in der Nachbarschaft zu stärken. Aber deutlich wichtiger wäre es für diese Menschen Hilfsangebote zu schaffen, denn vielen fällt es nach Jahren des allein seins das Gespür wie man sich soziale Kontakte schafft.
Kommentar schreiben