Am 02. Mai 2016 um 15:30 Uhr in der Stadtbibliothek Osterholz
Was macht Papa eigentlich den ganzen Tag im Büro? Eine ungewöhnliche und phantasievolle Antwort auf diese Frage gibt das Bilderbuch „Mein Papa ist Pirat“ der Autorin und Illustratorin Katharina Grossmann-Hensel – und das ist nicht nur für Väter und Söhne sehr unterhaltsam. Denn hier verrät Papa dem neugierigen Sohn ein Geheimnis: Er fährt mit dem Fahrrad morgens nicht ins Büro, sondern zum Hafen. Dort klettert er an Bord des Schiffes „Flotte Lotte“ und erlebt als Piratenkapitän aufregende Abenteuer. Was am großen Piratenkampftag passiert, woran zu erkennen ist, dass Mama eine echte Piratenbraut ist und wie Papa riesige Meeresungeheuer zähmt – das verrät das gelungene und witzige Bilderbuch für Kinder ab vier Jahren auf 32 gelungenen und bunten Seiten.
Als Papa von der Arbeit nach Hause kommt, nimmt er seinen kleinen Sohn auf den Schoss und verrät ihm ein Geheimnis: Nein, er fährt morgens mit dem Fahrrad nicht ins Büro, sondern zum Hafen und geht dort an Bord eines Schiffes, denn er ist Pirat. Und nicht nur irgendein Pirat, sondern Piratenkapitän. Mit viel Phantasie und rührend detailliert schildert Papa das Leben auf dem Meer dem zunächst skeptischen Sohn. Holzbeine und Hakenhände? Viel zu unpraktisch an Bord, das hätten nur Piraten die im Fernsehen arbeiten müssten, weil ihnen beim kleinsten Seegang schlecht werde. Und der Wellensittich zu Hause sei auch kein normaler Wellensittich, sondern im Herzen Papagei und könne zwitschernd fluchen. Auf jeden Einwand des Sohnes, kennt Papa eine phantasievolle Antwort: Die vielen leeren Flaschen in der Küche werden für die Flaschenpost benötigt und an Bord der „Flotten Lotte“ gibt es Tütensuppen, Astronautentrockennahrung und eine Kuh, die Bio-Milch gibt. Jeden dritten Dienstag ist Piratenkampftag bei dem es auf dem Meer hoch hergeht und mit Kanonen gedonnert wird, bis kein Pirat mehr trocken ist. Selbst Mama ist in Wirklichkeit eine echte Piratenbraut, die Papa auf einer einsamen Insel im Meer gefunden hat, das ist an ihren goldenen Ohrringen zu erkennen. Selbst Meeresungeheuern ist Papa schon begegnet, sie sind eigentlich freundlich und mit den Klängen des Liedes „La paloma ohe“ zu beruhigen. „Und Du? Ist Dein Papa auch den ganzen Tag im Büro?“, lauten die Fragen mit denen das Buch die Leser entlässt – eine direkte Aufforderung dieses Vater-Sohn-Buches, den eigenen Papa nach seinen Erlebnissen bei der Arbeit zu fragen und mit ihm zu erzählen. Oder sich zusammen mit ihm eine noch verrücktere Geschichte auszudenken …
Die wunderbar versponnene Idee vom arbeitenden Papa, der seinem Sohn eine abenteuerliche Geschichte erzählt und dabei Realität und Fiktion gekonnt vermischt ist mehr als nur eine gute Vater-Sohn-Geschichte. Sie regt bereits jüngere Kinder dazu an, nachzufragen, was ihre Eltern den ganzen Tag machen – egal ob Mama oder Papa oder beide arbeiten gehen. Das Bilderbuch nähert sich diesem Thema bewusst phantasievoll – warum nicht eine Antwort geben, die farbenfroher und spannender als die Wirklichkeit ist. Es geht darum, miteinander zu erzählen und das Entdecken phantasievoller Geschichten ist auch eine Annäherung und Beschäftigung miteinander. Dadurch regt das einfallsreiche Bilderbuch die Phantasie an und verwandelt einen langweiligen Abend für Kinder und Eltern in ein Experimentierfeld für wagemutige Erzähler wie in 1001 Nacht.
Das macht das Buch sehr sympathisch und unterscheidet es deutlich von realitätsnahen Bilderbüchern der 70er Jahre, die die Arbeitswelt der Eltern detailliert darstellen. Auch der Text ist kindgerecht und verständlich, die etwas längeren Texte sind für die Altersgruppe der über Vierjährigen gut geeignet, jüngere Kinder würden sie überfordern.
Die humorvollen und bunten Bilder ergänzen denText sehr gut. Passend zu der phantasievoll-versponnenen Geschichte ist Papa als Erzähler mit einem überdimensional großen Kopf, einem Stoppelbart und einem verschmitzten Grinsen ausgestattet und sitzt mit dem seinem Sohn auf seinen Knien an einem winzig kleinen Küchentisch. Wie Papa freudig auf die soeben auf einer einsamen Insel entdeckte und mürrisch dreinblickende Piratenbraut zuspringt, wie er morgens mit stilechtem Piratenhut und die gesamte Mannschaft grüßend das Schiff betritt oder wie er nachts mit einem offenen und einem geschlossenen Auge in der Hängematte Wache hält, das hat Katharina Grossmann-Hensel mit Liebe zum Detail und viel Humor eingefangen. Surreal und wunderbar humorvoll ist auch das Bild auf der letzten Seite: Ein riesiger Papa sitzt mit der überdimensionalen Mama mit Goldohrringen im Arm auf einem kleinen Sofa, auf den Tellern vor ihnen liegen Würstchen mit Spiegelei. In der Mitte sitzt der kleine Sohn, in der Hand einen Schlüsselanhänger mit Piratenkopf und sieht sehr glücklich aus.
Kommentar schreiben