Statement der Linken zum Thema Zeitarbeit

Vor einigen Wochen lud ich die Kandidierenden für den deutschen Bundestag zu einer Gesprächsrunde zum Thema Zeitarbeit ein und bat sie um eine Stellungnahme zum Thema. Doris Achelwilm von der Linken hat mir mittlerweile ihr Statement geschickt. Die Gesprächsrunde findet am 07,September 2017 um 19 Uhr in der AMEB-Begegnzungsstätte Am Siek 43 statt. Weitere Bundestagskandidierende haben ihr kommen angekündigt.

 

Hier nun die Stellungnahme von Doris Achelwilm:


Leiharbeit in ihrer jetzigen Form ist ein Lohndruckmittel, das viele Arbeitgeber inzwischen ganz selbstverständlich zur Senkung von Kosten und Pflichten gebrauchen. Millionen Arbeitnehmer*innen oder Arbeitsuchende müssen sich wohl oder übel mit dieser Art der Beschäftigung arrangieren, weil im Zuge der neoliberalen Arbeitsmarktreformen (
Agenda 2010) wahnsinnig viele „reguläre Jobs“ in Leih- und Zeitarbeit umgewandelt worden sind. Mit dieser Entwicklung können wir uns als LINKE nicht abfinden. Wir kämpfen für angemessen bezahlte, möglichst unbefristete, armutsfeste Beschäftigungsverhältnisse, mit denen die Menschen gut leben können. 

Branchenübergreifende, massenhafte Leiharbeit ist nicht alternativlos, sondern wurde regierungspolitisch in die Wege geleitet, um Arbeitgeber zu entlasten und auf dem europäischen Markt konkurrenzfähig zu halten. Unternehmerische Profit- und Flexibilitätsinteressen wurden dabei haushoch über die Interessen der Beschäftigten gestellt. (Gesamthafenbetriebsvereine aufgrund ihrer besonderen Verfasstheit hier ausgenommen.) Zentraler Eckpunkt für die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes waren die bekannten Hartz-Reformen, die unter Schröders SPD und Fischers Grünen eingeführt und von CDU, FDP, aber auch der Nach-Schröder-SPD sowie den Nach-Fischer-Grünen immer mitgetragen und teils noch verschärft wurden.  

Leih- oder Zeitarbeit weicht vom Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ standardmäßig und systematisch ab. Leiharbeitnehmer*innen verdienen deshalb volle Solidarität und viel mehr Unterstützung. Denn sie sind in den Betrieben und Gehaltstabellen aus Prinzip – und leider häufig ohne Aussicht auf eine Festanstellung – schlechter gestellt. 

Leiharbeit hebelt indirekt die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte aus und schwächt die Gewerkschaften in Gänze. Das vom Grundgesetz geschützte Streikrecht wird unterlaufen. Leiharbeit setzt damit auch die Stammbelegschaften unter Druck, schürt Entsolidarisierung und Konkurrenz, sorgt für (durchaus auch kollegiales) Unverständnis oder Sonder-Hierarchien in den Belegschaften, und sie hemmt die allgemeine Lohnentwicklung. Die Erlaubnis für Arbeitnehmerüberlassung wird selbst unseriösen, völlig ‚enthemmt‘ ausbeuterischen Firmen erteilt. 

Das ‚Angebot‘ der Leiharbeit beruht nicht zuletzt darauf, dass die Beschäftigten in der Zeitarbeit im Zweifelsfall aufstockende Leistungen vom Jobcenter beantragen können – der Staat ermöglicht der Wirtschaft also per Gesetz ‚günstigere‘ Beschäftigungsverhältnisse und bezahlt obendrauf noch Subventionen dafür (z.B. in Form aufstockender SGB-II-Leistungen). Das ist absurd. Skandalös auch, wie vielen Leiharbeiter*innen eine schlechte Rente und Altersarmut droht. Nur die Entleiher und ihre Auftraggeber profitieren wirklich von diesem System. 

In Bremen ist die Zeitarbeit einer der am schnellsten wachsenden Sektoren. In Bremerhaven ist jeder zweite Job, den das Jobcenter unter Androhung von Sanktionen vermittelt, in der Arbeitnehmerüberlasssung. 

Leiharbeit muss in ihrer jetzigen Form deshalb im Interesse der Arbeitnehmer*innen umgedreht werden: Wir wollen prekäre Arbeitsverhältnisse zurückdrängen und gegen tariflich bezahlte, sozialversicherungspflichtige und rechtlich gleichgestellte Erwerbsarbeit ersetzen. 

Letztlich fordern wir ein Verbot von Leiharbeit. Ausnahme: Wie bei der Regelung in Frankreich ist Leiharbeit dann eine Option, wenn die entliehenen Arbeitskräfte mehr Lohn bekommen als die Stammbelegschaft. Um Auftragsspitzen abzuarbeiten, können die Unternehmen Leiharbeiter*innen beschäftigen. Allerdings erhalten die Beschäftigten in der Arbeitnehmerüberlassung als Kompensation für ihre stark eingeschränkten Rechte eben mehr Geld. Das wäre fair und angemessen. 

Bis die ganze Auseinandersetzung so weit ist, unterstützen oder fordern wir auch konkrete Detailverbesserungen, wie sie etwa in Ihrem Positionspapier als Forderung nach einem Ethik-Kodex und einer Beschwerdestelle festgehalten sind. Aber bei allem Interesse an praktischen Verbesserungen braucht es aus unserer Sicht was Anderes: nämlich einen echten Umbau der deregulierten Arbeitswelt statt nur Korrekturen, die den unbefriedigenden Ist-Zustand letztlich aufrechterhalten. 

Die öffentliche Hand könnte deutlich mehr tun, um zumindest wirksame Schritte hin zur Begrenzung der Leiharbeit zu unternehmen: Wenn Großbetriebe wie Werften oder Autokonzerne massiv auf Outsourcing per Leiharbeit und Werkverträge setzen, dann müssen Landesregierung und Bund nicht tatenlos zusehen: das Mindeste wären hier Quoten, Auflagen bei Subventionen und der Vergabe öffentlicher Aufträge. (Beispiel: „Neue Kaje bei der Lloydwerft nur gegen die verbindliche Zusicherung, entweder keine Leiharbeit einzusetzen oder aber diese oberhalb des Tarifniveaus der Stammbelegschaft zu bezahlen.“)  

Auch für Neuansiedlung auf öffentlichen Gewerbeflächen halten wir solche Regelungen für sinnvoll und machbar. Wichtig wäre außerdem eine ‚schwarze Liste‘, die man bei der von Ihnen vorgeschlagenen Beschwerdestelle führen könnte: Wenn Betriebe durch strafbares Handeln auffallen (Vorenthaltung von Arbeitsentgelt, Schwarzarbeit usw.), müssen Sanktionen greifen und Lizenzen entzogen werden. Es darf auch keinen Firmen-"Handel" mit GmbHs geben, die entsprechende Erlaubnisse haben.

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