Bei diesem ersten Termin sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch keine feste Gruppe, einige mussten sich für den ersten Termin bereits entschuldigen, denn auch Flüchtlinge haben Termine: Deutschkurs, Behördenbesuch, Arzttermin oder Jobcenter gehen vor. Die zwölf Anwesenden, darunter drei Senioren aus der Werkstatt und zwei Beschäftigte einer Flüchtlingsunterkunft, haben weiße DIN-A4-Blätter vor sich liegen und bekommen nun eine Pappe in die Hand.
„Helga ist unser erstes Modell“, erklärt Ulrike Schulte die Zeichenübung. „Ihr malt auf das weiße Blatt. Dabei haltet ihr die Pappe so, dass ihr nicht seht, was ihr malt. Und ihr konzentriert euch immer auf das Modell“, erklärt Ulrike Schulte die Übung. Jeder in der Runde wird einmal für drei Minuten Modell gewesen sein, bevor die nächste Übung beginnt. Die Künstlerin sammelt alle Papiere stapelweise ein und kann schon erkennen, wer gemogelt und auf seine Zeichnung geschaut hat. Nun ist Omer Modell. „Die Hand malt, das Auge sieht“, bemerkt Schulte. Ibrahim ist mit seinen sechs Jahren der jüngste Teilnehmer und vielleicht der mutigste, denn er versteht vermutlich am wenigsten von den Übersetzungen, die Bo ins Arabische gibt.
Jihad, Servet, Nesrin und Nesrin, Ahen, Hamrin und Ursula sitzen Modell. Alle teilnehmenden Flüchtlinge stammen aus Syrien. Alle zeigen sich gegenseitig ihre krakeligen Blind-Zeichenergebnisse, die Senioren wie die Syrier, und alle müssen dabei lachen. Darüber, dass ein Ohr am Kinn hängt, ein Auge neben dem Kopf liegt oder Haare eher Bart- als Haupthaar sind oder alles eher wie Fabelwesen aussieht. Erste Scheu scheint damit schon überwunden, und die Vornamen fallen bald wie selbstverständlich. Gemeinsames Arbeiten lässt Barrieren vergessen.
Nach ersten Bedenken, ob sich überhaupt genug Teilnehmer finden, muss Ulrike Schulte nun bei weiteren Anfragen ablehnen. Es besteht schon eine Warteliste für das Angebot. Erfreulich ist für Schulte auch die Altersspanne der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich zwischen sechs und 70 Jahren bewegt.
Die zweite Übung des ersten Termins ist das Zeichnen von Tonfiguren. „Hierbei geht es darum, Ruhe zu finden und sich Zeit zu lassen.“ Hatte Ulrike Schulte trotz viel Unterrichtserfahrung zuerst Respekt vor dieser Art einer neuen Gruppe und mochte sich im Vorwege nicht auf eine Unterrichtslinie festlegen, hat sie nun schnell eine Richtung favorisiert. Beim zweiten Termin wird das Kennenlernen von Deckfarben im Vordergrund stehen, danach werden es Acrylfarben werden. Und der Kursus wird sich dahin entwickeln, hofft Schulte, dass jeder Teilnehmer seinen Bremer Lieblingsort findet, der dann fotografiert werden soll. Aus Lieblingsort und eigener Person soll malend von jedem und jeder eine Art Collage entstehen. Den Lieblingsort gefunden, festgehalten und vom Foto abgemalt, soll die eigene Person in diesen Ort gemalt werden.
Die Ausstellung zum Abschluss im Ortsamt wird eine Facette dieses Kurses zeigen können, von den anderen – wie zwischenmenschliche Erlebnisse, Integration und Sprachentwicklung – werden die Maler und Malerinnen für sich profitieren.
Quelle: Weser-Kurier
Kommentar schreiben